Die Entstehung der Stadt Löbau

Löbau ist nach Bautzen und Görlitz eine der ältesten Städte der Lausitz. Die Besiedlung dieser letzteren reicht aber natürlich viel weiter zurück. Die Schlackenwälle auf dem Löbauer Berg, auf dem Rotstein, der Landeskrone, dem Stromberg u.a., die verschiedenen Kelt - und Broncefunde, die vielen und verschiedenartigen Urnenfelder beweisen, dass namentlich gerade in der hiesigen Gegend schon viel vor Christi Geburt eine zahlreiche Bevölkerung anwesend war. Sie ist germanischen Stammes gewesen; denn die Wenden kamen erst zur Zeit der Völkerwanderung ins Land. Der größere Teil der germanischen Urbevölkerung ist damals fortgezogen. Ein Bruchteil dürfte im Lande geblieben sein und in den bergigen Gegenden unserer Lausitz sich angesiedelt haben. 

Fast alle Ortsnamen sind deutschen Ursprungs. Die einwanderten Wenden kamen die Flusstäler aufwärts. Hier ließen sie sich nieder; das Gebirge lieben sie nicht und lieben die Wenden heute noch nicht. Bei unserem Berge wählten sie das flache Gelände von Altlöbau, Ölsa und Dehsa zum Wohnplatz, nächst Schweidnitz der am weitesten südlich ins Gebirge vorgeschobene Posten wendischer Einwanderung in unserer Gegend. Der Ort Löbau ist aus einer solchen wendischen Ansiedlung hervorgegangen. Er ist das Produkt einer allmählichen Entwicklung, wie es ohne Zweifel nicht bloß die bei weitem meisten Orte unserer Lausitz, sondern die Dörfer und Städte überhaupt alle sind. Zuerst war der Freie, der Pan oder Ritter mit seinen Unfreien oder Hörigen da. Dann kam in christlicher Zeit der Pfarrherr mit seinen Gehilfen, und diesem folgten die Gutshandwerker und die von dem Gutsherrn herbeigezogenen Gewerbetreibenden: der Kretschmer oder Gastwirt, der Schmied, der Stellmacher, Müller, Fleischhauer, Schreiner, Böttcher, Bräuer, Schuster, Schneider u.s.w. Von diesen Ansiedlungspunkten ging dann die Gründung neuer Siedlungen in der Umgebung aus: Vorwerke, Freigüter, Lehngüter, Einzelsiedlungen Untergebener u. dergleichen entstanden, aus denen sich allmählich die anderen Ortschaften der betreffenden Gegend entwickelten. Die wendischen Pans oder Herren haben sich dann freilich der deutschen Herrschaft unterwerfen müssen und sind allmählich verschwunden. An ihre Stelle trat der mit dem Sieger ins Land gekommene deutsche Adel.                         

Die Entstehung des Ortes Löbau auf ähnlichem Wege wird schon durch seinen Namen zum Ausdruck gebracht. Der Name Löbau hat sich aus der wendischen Bezeichnung “Lubij” gebildet; so aber wird Löbau wendisch genannt. Zu “Lubij” ist zu ergänzen “hrod”, altwendisch “grod”. Es ist nämlich “Lubij” ursprünglich das Adjectivum possessivum zu “Lubo” resp.”Luba”, und das ist die Kurzform von dem altwendischen Personennamen Lubomir oder Lubislaw , d.h. der Friedliebende ( Friedrich ) oder der Ruhmliebende. Also heißt Lubij ( sc. grod ) die Burg, der befestigte Ort des Lubomir oder Lubislaw. Von dem Orte hat dann der Fluss, die Löbau, wendisch “Lubota”, den Namen; also der Fluss an der Burg des “Lubo”. Die früher übliche Ableitung des Namens Löbau von dem Worte “lubosne”, d.h. lieblich, wäre demnach falsch. Die Lage Löbaus aber lässt auf eine solche Entstehung ohne weiteres schließen. Die erste Ansiedlung haben wir uns auf dem Plateau zu denken, in dessen Mitte heute die Nikolaikirche, umgeben vom Nikolaiplatz, steht.

Anmerkung: Der Text ist dem Buch “Die Stadt Löbau i. Sa.” aus dem Jahre 1904 entnommen. Verfasst von dem damaligen Oberlehrer K. A. Kretschmar.